Offener Brief mit 17069 Unterschriften an SBB übergeben

v.l.n.r. Andreas Stuber (Leiter Kommunikation SBB), Alexis Leuthold (Leiter Bewirtschaftung SBB), Alexander Muhm (Leiter Immobilien und Mitglied der Konzernleitung SBB), Erik Schönenberger (Geschäftsleiter Digitale Gesellschaft), Angela Müller (Leiterin AlgorithmWatch CH)

AlgorithmWatch CH und die Digitale Gesellschaft haben heute einen offenen Brief an die SBB übergeben. Im Namen von 17'069 Personen und 16 zivilgesellschaftlichen Organisationen und politischen Parteien protestieren sie damit gegen die ursprünglichen Pläne der Bundesbahnen, ein Messsystem zur umfassenden Überwachung der Reisenden in über 50 Bahnhöfen einzusetzen.

Angela Müller, Leiterin von AlgorithmWatch CH, und Erik Schönenberger, Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft, haben heute den offenen Brief am Hauptsitz der SBB in Bern Wankdorf dem Leiter Bewirtschaftung der SBB, Herrn Alexis Leuthold, dem Leiter Immobilien und Mitglied der Konzernleitung, Herrn Alexander Muhm, und dem Leiter Kommunikation der SBB, Herrn Andreas Stuber, überreicht. Angela Müller, Leiterin von AlgorithmWatch CH, betont: «Die Bevölkerung hat den SBB ein unmissverständliches Signal gesendet: Unsere Grundrechte sind auch am Bahnhof zu achten – und sie sind nicht gegen die kommerziellen Interessen der SBB abzuwägen.» Auch Erik Schönenberger, Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft, zeigt sich zufrieden: «Die grosse Unterstützung für unseren offenen Brief innert so kurzer Zeit ist überwältigend und zeigt, wie wichtig es der Bevölkerung ist, dass keine Infrastruktur zur Massenüberwachung an Schweizer Bahnhöfen installiert wird – denn diese gehören für einen grossen Teil der Menschen zu ihrem Alltag». 

Gegen Massenüberwachung an Bahnhöfen

Auslöser für die Lancierung der Aktion waren Enthüllungen des K-Tipps von Mitte Februar: Die SBB beabsichtigten ursprünglich, ab Herbst 2023 in über 50 Bahnhöfen die Bewegungen der Reisenden zu erfassen und zu verfolgen und sie dabei auch nach Grösse, Alter und Geschlecht zu kategorisieren – unter anderem zu kommerziellen Zwecken. Gemäss SBB soll damit etwa die «Abschöpfung» der Kund*innen maximiert werden, um die Umsätze der Bahnhofshops zu steigern. Es war davon auszugehen, dass die SBB für diese Kategorisierung auf biometrische Auswertungen zurückgreifen müsste.

Gegen das geplante neue Kundenfrequenzmesssystem der SBB regte sich enormer Widerstand. Die beiden zivilgesellschaftlichen Organisationen AlgorithmWatch CH und die Digitale Gesellschaft lancierten einen offenen Brief, in dem sie fordern, dass die SBB 1. Klarheit bezüglich der Ausschreibung schaffen, 2. keine Infrastruktur zur biometrischen Identifikation, Verfolgung oder Kategorisierung in Bahnhöfen installieren und 3. von jeglicher Datenerfassung und -bearbeitung im öffentlich zugänglichen Raum absehen, die nicht mit unseren Grundrechten konform ist. Im Brief betonen die Absender*innen: Wenn Menschen am Bahnhof anhand biometrischer Auswertungen jederzeit verfolgt, überwacht oder kategorisiert werden können, kann das diskriminierende Auswirkungen haben und sie davon abschrecken, zentrale Grundrechte wahrzunehmen – auch, wenn keine Identifikation erfolgt. Diese Risiken stehen in keinem Verhältnis zu den kommerziellen Absichten der SBB.

Widerstand zeigt Wirkung

Mitte März zeigte dieser zivilgesellschaftliche Widerstand schliesslich Wirkung – und die SBB krebsten zurück: An einer Medienkonferenz gab CEO Vincent Ducrot bekannt, dass die SBB auf die Kategorisierung von Menschen nach Grösse, Alter und Geschlecht verzichten werden. Stattdessen konzentrieren sie sich gemäss Mitteilung darauf, die Bewegungen der Reisenden und die Personenströme zu erfassen. Die Ausschreibung werde entsprechend angepasst. Das neue Messsystem soll nun erst ab Anfang 2025 – statt wie bislang geplant im Herbst 2023 – eingesetzt werden.

Trotzdem haben sich AlgorithmWatch CH und die Digitale Gesellschaft entschieden, bis am 22. März weiter Unterschriften zu sammeln und den offenen Brief den SBB formell zu übergeben. Damit wollten die beiden Organisationen den Druck der Zivilgesellschaft aufrechterhalten. Denn, so Erik Schönenberger von der Digitalen Gesellschaft: «Ob die Gefahr einer biometrischen Massenüberwachung gebannt ist, zeigt sich erst mit dem Entscheid, welches Kundenfrequenzmesssystem schlussendlich beschafft und eingesetzt wird». Angela Müller von AlgorithmWatch CH betont: «Wir werden den SBB weiter ganz genau auf die Finger schauen. Nicht zuletzt um die Forderungen der über 17'000 Menschen, die den Brief unterschrieben haben, durchzusetzen – im Interesse der Grundrechte der gesamten Bevölkerung. Denn: Bahnhöfe können die Meisten von uns schlicht nicht meiden.»

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Überwachung an SBB-Bahnhöfen: Widerstand der Zivilgesellschaft wirkt